Das Büro von Frida Escobedo hat kürzlich eine Renovierung erhalten. Die Räumlichkeiten im Stadtteil Juarez in Mexiko-Stadt beherbergen etwa 20 Mitarbeiter: ein Team aus Möbeldesignern, Innenarchitekten und Architekten, das Escobedo seit der Gründung ihres gleichnamigen Unternehmens im Jahr 2006 um sich herum aufgebaut hat. „Wir brauchten zunehmend mehr Platz“, sagt sie mit der ihr eigenen Coolness und erklärt, dass sich die Größe des Hauptquartiers durch die Renovierung fast verdoppelt hat. Mit einem Lächeln fährt sie fort: „Die Entscheidungen über die nächsten Schritte haben Spaß gemacht“.
Die erst 42-jährige Escobedo hat sich im letzten halben Jahrzehnt zu einem der gefragtesten Namen in der Architektur- und Designbranche entwickelt. Ihr Entwurf für den Serpentine Pavilion in London im Jahr 2018 hat sie ins internationale Rampenlicht gerückt. Hinzu kommen Arbeiten aller Art, von der Gestaltung von Ladeneinrichtungen über private Möbelaufträge bis hin zu Großprojekten für den öffentlichen Raum. Der in diesem Jahr an sie vergebene Auftrag für die Gestaltung des neuen Flügels des MoMA in New York ist ein klares Indiz dafür, dass ihr Stern zukünftig noch viel heller strahlen wird.
Allerdings ist Escobedo für eine angehende Stararchitektin erfrischend unauffällig. Während der Renovierung sah sie zum Beispiel keine Notwendigkeit, ihren Schreibtisch – ein Möbelstück, das aus einer alten Tür und ein paar maßgefertigten Beinen zusammengeschustert wurde – zu ersetzen. „Er ist perfekt für meine Bedürfnisse“, erklärt sie und weist auf seine überdurchschnittliche Länge hin, die es ihr ermöglicht, ihre Nachschlagewerke an beiden Enden zu stapeln, sowie auf seine clever maßgeschneiderte Höhe und geringe Tiefe, die es ihr im Vergleich zu anderen Schreibtischen ermöglicht, näher bei ihrem Gegenüber zu sitzen.
Dieser ruhige praktische Ansatz ist vielleicht das, was Escobedo auszeichnet. Dies geht teilweise auf ihren Hintergrund zurück, nicht ausschließlich als Architektin, sondern als multidisziplinäre Designerin. „Ich habe alle möglichen Projekte angenommen, um mich über Wasser zu halten“, sagt sie über die Zeit nach ihrem Bachelor-Abschluss an der Universidad Iberoamericana in Mexiko-Stadt. „Große Aufträge waren außer Reichweite, also musste ich das Vorhandene zum Funktionieren bringen und flexibel in Bezug auf die Herangehensweise an Jobs sein. Dadurch konnte ich auch Ideen in verschiedenen Maßstäben testen.“
Diese Haltung und Anpassungsfähigkeit hat Escobedo von einem ihrer wichtigsten Vorbilder gelernt, dem verstorbenen mexikanischen Maler und Architekten Juan O'Gorman. „Er designte so, dass jedes kleine Detail perfekt war, ohne Überflüssiges zu produzieren“, erklärt sie und nennt als Beispiel das Haus, das O'Gorman für Frida Kahlo und Diego Rivera in Mexiko-Stadt entworfen hat. Es ist einfallsreich in seiner Struktur, die aus zwei separaten Gebäuden (eines für jeden Künstler) besteht, verbunden durch eine Brücke über dem Dach. „Bei seiner Architektur ging es nie um das große Spektakel, vielmehr den Wechsel zwischen verschiedenen Herangehensweisen an die Aufgaben und die Verwendung verschiedener Arten von Oberflächen oder Materialien.“
Dieses Maß an Sorgfalt zeigt sich in allen Aspekten des Büros von Escobedo. Obwohl die Wände weiß erscheinen, sind sie bei genauerem Hinsehen blassgrau. „Es fällt nicht auf, aber diese Farbe trägt zur Stimmung des Raums bei“, sagt sie. „Sie dämpft ohne laute Gesten.“
Escobedo entwirft auch Stücke, die einfach nur interessant aussehen sollen – wenn auch auf bescheidene Art und Weise. Ihr Copper Chair, hergestellt für Masa Galeria, ist wie ein dekonstruierter Würfel aufgebaut, dessen Armlehnen in einem 90-Grad-Winkel geneigt sind, so dass er sich unter dem Sitzenden eher wie eine Raute denn ein Quadrat ausmacht. Es ist ein skulpturales Objekt, schön anzusehen – auch wenn es zum Sitzen vielleicht nicht ganz praktisch ist.
„Ich denke, der Stuhl ist eine Art Provokation“, erklärt Escobedo auf die Frage nach seiner Funktion. „Wenn man sich ihm nähert, fragt man sich: Wie setze ich mich wohl darauf? Wo lege ich meine Arme hin, schlage ich meine Beine übereinander? Wie wirkt sich das auf meine Stimmung aus?“ Es ist ein Objekt, mehr Spektakel als Pragmatismus. An diesem Punkt ihres Schaffens trifft Kunst auf Design.
Was die Bedeutung mexikanischen Designs auf der Weltbühne betrifft: Vielleicht ist es eine zu große Frage, um von einer Person beantwortet zu werden. Escobedo ist jedoch der Meinung, dass das Land in vorteilhafter Position ist, weil es auf allen Ebenen eine Designtradition hat - von den großen Architekten des ‘International Style’ bis hin zu den einfachen Leuten, die auf volkstümliche Weise arbeiten.
„Hier gibt es eine starke Designtradition mit Emphase auf Details und praktischem Denken“, sagt Escobedo. „Ich weiß von einer mexikanischen Familie, die ihre Treppe an die Außenseite ihres Hauses verlegt hat.Das war der perfekte Weg, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen, und es war für sie ganz natürlich. So etwas würde einem Architekten den Pritzker-Preis einbringen, aber hier passiert es andauernd.“
Vielleicht ist es diese mexikanische Mentalität, die Escobedo auszeichnet. Sie reiht sich damit in die reiche Designtradition ihres Heimatlandes ein, auch wenn sie sich mit zeitgenössischer Architektur auf globaler Ebene auseinandersetzt. Und sie bekennt sich zu sorgfältigem und kreativem Nachdenken im Rahmen ihrer Arbeit – statt einfach loszulegen.