Lilli Hollein über die Geschichte des Handwerks

Als Mitbegründerin der Vienna Design Week und heutige Direktorin des Wiener Museums für angewandte Kunst (MAK) ist Lilli Hollein eine Koryphäe in der europäischen Designwelt. Im folgenden Gespräch äußert sie sich zur Schnittmenge von Kunst und Handwerk, dem Wert skandinavischen Designs und welche Bedeutung die Designgeschichte für sie und die Welt im Ganzen hat.

Was ist der Unterschied zwischen Kunst und Handwerk und wo überlagern sich beide Bereiche?
Ich denke, das Verhältnis der beiden hat im Laufe der Geschichte verschiedene Stadien durchlaufen. Heute betrachten wir Handwerk vielleicht aus einer anderen Perspektive – aber die berühmtesten Objekte verbinden immer beides. Meiner Ansicht nach ist das, was ein Objekt langlebig macht der Punkt, dass es sehr funktional ist, gleichzeitig jedoch über den Aspekt der Funktionalität hinausgeht. Das Element Spaß ist ebenso wichtig.

Können Sie eine Designschule nennen, die Sie am meisten beeinflusst hat?
Meine emotionale Beziehung zum Design nahm ihren Anfang, als ich zum ersten Mal auf die Arbeit der Memphis Group stieß. Ich war damals ein junges Mädchen und absolut fasziniert von ihrer Ausdrucksfreiheit, der totalen Befreiung, die ihre Gestaltungsweise implizierte.

Inwiefern spiegeln die verschiedenen Formen des Designs die Wünsche und Bedürfnisse verschiedener Gesellschaften wider?
Memphis hätte nicht in einer Zeit entstehen können, in der die Menschen ein Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit haben – dafür ist es zu verspielt, zu frivol. Die Rationalität modernen Designs spiegelt dieses Gefühl besser wider. Betrachtet man unsere aktuelle Position in der Designgeschichte, so sehen wir viele Designer, die mit einer klaren Vorstellung im Bezug auf den Aspekt der Nachhaltigkeit arbeiten. Natürlich leben wir auch in einer Zeit des Massenkonsums, und auch das spiegelt sich im Produktdesign wider. All die widersprüchlichen Impulse unserer Gegenwart finden ihren Ausdruck in den Designs.

Welche Bedeutung hat skandinavisches Design?
Es ist unglaublich, wie sehr es die verschiedenen Generationen beeinflusst hat. Es ist eine erstaunlich authentische Form des Designs, lebt von einer gewissen Offenheit, Bescheidenheit und einem großartigen Qualitätsbewusstsein. Es ist tief mit der Denkweise der Skandinavier verbunden.


Imagecredits

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MAK, View from the Stubenring
© Leonhard Hilzensauer/MAK

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Lilli Hollein, General Director and Artistic Director, MAK, 2021
© Katharina Gossow/MAK

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MAK Columned Main Hall
© MAK/Katrin Wißkirchen

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MAK Permanent Collection Baroque Rococo Classicism
Artistic intervention: Donald Judd
© Gerald Zugmann/MAK

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Christoph Meier, Ute Müller, Robert Schwarz, Lukas Stopczynski, RELAX, 2022
MAK Columned Main Hall
© Gregor Titze/MAK

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MAK Exhibition View, 2021
JOHANNA PICHLBAUER. There will be! People! On the Sun! Soon!
MAK GALLERY
© Marlene Mautner/MAK